Modellvorhaben „Schutzstreifen außerorts“
Unterstützungsbedarf zur Beibehaltung der Markierung

Die Markierung von Schutzstreifen außerorts ist derzeit in Deutschland nach den Bestimmungen der StVO auf Grund fehlender Erkenntnisse nicht zulässig. Das Standardelement zur Führung des Radverkehrs außerorts sind vielmehr gemeinsame Geh- und Radwege, für die nach den Regelwerken ab bestimmten Kfz-Verkehrsstärken eine Erforderlichkeit zur Sicherung des Radverkehrs gegeben ist. Gleichwohl gibt es in außerörtlichen Bereichen auch unterhalb dieser Schwelle einen Bedarf zur Sicherung des Radverkehrs sowie zur Verbesserung und Verdeutlichung der Radverkehrsführung.

Die bestehende Erkenntnislücke soll mit Ergebnissen aus dem Modellvorhaben zur Abmarkierung von Schutzstreifen außerorts und zur Untersuchung der Auswirkungen auf die Sicherheit und Attraktivität im Radverkehrsnetz geschlossen werden. Dieses wurde im Rahmen des Nationalen Radverkehrsplanes mit einem Gesamtvolumen von 400.000 EUR ausgestattet und im März 2012 unter der Leitung des Ministeriums für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommern gestartet.

Das Vorhaben bezog sich auf den Einsatz beidseitiger Schutzstreifen auf Straßen bis zu einem Belastungsbereich von etwa 4.000 Kfz/Tag (gemäß ERA 2010 beginnt hier der Einsatzbereich für straßenbegleitende Radverkehrsanlagen bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h). Untersucht wurden Fahrbahnen, bei denen nach Abmarkierung der beidseitigen Schutzstreifen die verbleibende Kernfahrbahn (bei einer Mindestbreite von 2,75 m) nur einstreifig zu befahren ist, im Begegnungsfall Kfz/Kfz also die Schutzstreifen in Anspruch genommen werden müssen.

Das Modellvorhaben gliederte sich in zwei Phasen. In Phase I wurden auf der Grundlage der durch die projektbegleitende Lenkungsgruppe vereinbarten Kriterien insgesamt 15 Untersuchungsstrecken aus fünf Bundesländern und sieben verschiedenen Gebietskörperschaften (Landkreis Ludwigslust-Parchim, LK Grafschaft Bentheim, LK Northeim, LK Stormarn, Rhein-Erft-Kreis, Stadt Köln, Fontanestadt Neuruppin) ausgewählt. Die Strecken decken ein Belastungsspektrum von wenigen 100 bis über 3.800 Kfz/Tag ab und weisen Fahrbahnbreiten zwischen etwa 5,20 bis 7,50 Meter (Regelquerschnitt) auf. Teilweise bestehen im Streckenverlauf besondere untersuchungsrelevante Situationen wie Knotenpunkte, Engstellen, enge Kurven und Kuppen mit eingeschränkter Sicht.

Auf diesen ausgewählten Außerortsstraßen wurden Schutzstreifen angebracht. Strecken in den Landkreisen Northeim und Grafschaft Bentheim sind, inspiriert durch Projektausführungen in den Niederlanden, rot eingefärbt worden. Einzelne regionale Partner stellten Hinweisschilder auf, um den Modellversuch zu verdeutlichen.

Ziele der Phase II des Modellvorhabens waren die Ermittlung der Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit sowie der Akzeptanz und des Verhaltens der Verkehrsteilnehmer, die Bewertung der Ergebnisse unter Berücksichtigung des generellen Erkenntnisstandes zur Sicherung und Förderung des Radverkehrs, die Ableitung von Empfehlungen für die Anwendbarkeit (Einsatzbereiche) und Ausbildungsanforderungen an Schutzstreifen außerorts sowie die Feststellung, ob und ggf. welcher Anpassungsbedarf für eine Weiterentwicklung verkehrsrechtlicher Bestimmungen und der technischen Regelwerke besteht.

Von großer Bedeutung war deshalb auch die Bewertung der Übertragbarkeit der Ergebnisse. Der Schwerpunkt der Evaluation lag in der Durchführung der empirischen Erhebungen, die zur Ermittlung der Auswirkungen auf die Sicherheit sowie das Verhalten und die Akzeptanz der neuen Regelung durch die Kraftfahrzeugführer und Radfahrer dienten.

Die Fontanestadt Neuruppin untersuchte die ca. 1,7 km lange und mit weniger als 1.000 Fahrzeugen pro Tag frequentierte Gemeindestraße zwischen der Kreisstraße 6810 und Alt Ruppin (Neumühle). Auf der 5,50 m breiten Fahrbahn wurden beidseitig Schutzstreifen von 1,25 m Breite für den Fahrradverkehr markiert. Der motorisierte Individualverkehr darf diese Schutzstreifen nur im Bedarfsfall (z.B. Begegnung) benutzen. Die Fahrbahn befindet sich in einem guten Ausbauzustand, die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist auf der gesamten Strecke auf 70 km/h begrenzt.

Wie auch an den weiteren Untersuchungsstrecken hat sich der Modellversuch grundsätzlich bewährt, es sind keine Verkehrssicherheitsprobleme aufgetreten. Somit können insgesamt positive Ergebnisse konstatiert werden.

 

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Abb.: Versuchsstrecke zwischen dem Ortsausgang Alt Ruppin (Neumühle) und der Kreisstraße 6810 mit und ohne Markierungen (Fotos: Stadt Neuruppin)

                                                                                        

Aktuell besteht indes ein die Effekte des Modellvorhabens gefährdendes Problem:

Als rechtliche Grundlage für die Einrichtung der Schutzstreifen sowie den folgenden Evaluierungszeitraum dient eine bis zur Vorstellung des Abschlussberichts erteilte Ausnahmegenehmigung der oberen Straßenverkehrsbehörde des Landes Brandenburg bzw. unteren Verkehrsbehörde des Landkreises Ostprignitz-Ruppin. Danach ist nach aktueller Sachlage eine Demarkierung vorzunehmen. Die Stadtverwaltung hat sich bereits an das MIL mit der Bitte um Prüfung einer geeigneten Lösung zur Beibehaltung gewandt.

Die weiteren Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundliche Kommunen (AGFK) Brandenburg unterstützen die Fontanestadt Neuruppin als Gründungsmitglied im Bestreben, die Schutzstreifen der Gemeindestraße zwischen der Kreisstraße 6810 und Alt Ruppin (Neumühle) zu erhalten. Dies könnte mit einer Verlängerung der Ausnahmegenehmigung oder alternativen Regelung erreicht werden.

Die Mitglieder der AGFK Brandenburg sind der Auffassung, dass mit der Demarkierung der Schutzstreifen ein fatales Signal an die Öffentlichkeit gesendet und gezeigt wird, dass kostengünstige und innovative Alternativen zum Radwegebau seitens des Landes Brandenburg nicht gewünscht werden. Darüber hinaus wird von den Mitgliedern eine geringere Akzeptanz und Unterstützung weiterer innovativer Radverkehrsprojekte in den Kommunen befürchtet.